Philosophie des kolonialen Denkens.
(Ankündigung eines Seminares an der UdK Berlin)
Kolonisieren heißt Besiedeln. Das „koloniale“ Denken ist kein bloß historisches Problem, sondern ein Denk-Stil, der zu allen Zeiten Einfluss auf Politik, Kunst und Wissenschaft hatte. Von den Kolonien des alten Athen bis zu den Kolonien der europäischen Staaten in Afrika und Asien, aber auch weit in den heutigen Neokolonialismus reicht dieses Denken, das den zu erobernden oder zu besiedelnden Raum in erster Linie daraufhin abschätzt, wie er den eigenen Handlungs- oder Nutzungs-Wünschen angepasst werden kann. Auch Künstler denken in gewissem Sinne „kolonial“, wenn sie den öffentlichen Raum einer Kultur mit ihren Projektionen und Konzepten zu besiedeln suchen. Ein Gegenprinzip wäre das verstehende Denken, ein Habitus, dem es auf Erkennen und Durchdringung ankommt, sowie das Korrespondenzdenken, das die Möglichkeiten eines Miteinander auslotet.
Die philosophische Beschäftigung mit dem Kolonialen setzt mit Friedrich Nietzsche ein und hat prominente Vertreter von Disraeli bis Carl Schmidt. Sie führt zu Romanen und Werken der bildenden Kunst sowie zu avantgardistischen Projekten – etwa dem Anthropozän-Projekt, das die Besiedelung der Erde durch den Menschen thematisiert.
Wir setzen mit einer Lektüre von Robinson Crusoe ein, lesen Partien deutscher und englischer Reiseliteratur zu Indien, darunter Waldemar Bonsels „Meine Indienreise“ und die scheinbar heiteren Geschichten von Charles Chevenix French „My Mother told me. Wir betrachten Bilder aus der Zeit der Kolonialherrschaft Englands und der Zeit der Sklavenbefreiung. Wir treffen uns mit zeitgenössischen Künstlern, die das Koloniale zum Zentrum ihrer Beschäftigung gemacht haben. (Israel, Palästina, Afrika) Wir beschäftigen uns mit Lawrence von Arabien und Carl Peters “Deutsch Ost Afrika“) und wir begutachten Fälle sprachlicher Kolonisierung – etwa das Eindringen von Unternehmersprache in den Bildungsbereich. Unsere „Forschungen“ reichen von der Südseeromantik über den Film Aguirre oder der Zorn Gottes bis zur genauen Untersuchung einer Kelloggs-Packung. Wer Lust auf solche philosophischen Irr- und Umwege zur Kunst hat, ist willkommen.
Publikationen: Seit 1985 Essays zur Kulturphilosophie (Merkur, Frankfurter Hefte, Nürnberger Blätter, Lettre International, u.v.a.) Literarische Arbeiten: Roman, Erzählung, Kurzprosa, zwei Oratorien, sowie rund hundert Stunden radiophone Features, Hörspiele, Essays und experimentelle Formen. Viele Salons und Gemeinschaftsaktionen mit bildenden Künstlern. Wichtigste Veröffentlichung: – Ästhetische Korrespondenzen in der Reihe deutsche Philosophie der Gegenwart bei Reclam, UB 8986).